FF 150 BM | 1868 – 2018 | 150 Jahre Freiwillige Feuerwehr Bruck an der Mur
 


Fotografie des Monats August

Das Rettungswesen bei der Feuerwehr
 

Um Kameraden helfen zu können, die sich im Dienst verletzt hatten, hielten die Feuerwehren von Beginn an Verbandsmaterial im Einsatz vorrätig. Die Feuerwehr Bruck beispielsweise bediente sich nachweislich ab dem Jahr 1870 einer "Apotheke", die sie im Beiwagen mitführte. Diese "internen" Hilfeleistungen weiteten sich alsbald auch auf zivile Zwecke aus, da das Augenmerk der 1880 gegründeten "Österreichischen Gesellschaft vom Roten Kreuz" bis zum Ersten Weltkrieg und darüber hinaus primär auf die Unterstützung des militärischen Sanitätsdienstes lag.

Die Ärzte in den Reihen der Feuerwehren unterrichteten die Mitglieder in Sanitätsbelangen, erster Feuerwehrarzt in Bruck war höchstwahrscheinlich der 1872 verstorbene Dr. Karl Fridrich, nach dem die entlang der ehemaligen Stadtmauer verlaufende Fridrichallee benannt ist.

Aufgrund der steigenden Bedeutung des Rettungswesens bildete sich 1889 bei der Grazer Freiwilligen Feuerwehr die erste Rettungsabteilung in der Steiermark, in Bruck an der Mur die vermutlich erste Einrichtung dieser Art außerhalb der Landeshauptstadt im Jahr 1897. Legendärer Chefarzt und Mitbegründer der Brucker Rettungsabteilung war Dr. Martin Bertha, der von 1920 bis 1936 zudem die Stelle des Bezirkschefarztes bekleidete. Vorerst beschränkte sich die Tätigkeit der Rettungsabteilung auf Hilfeleistungen, Krankentransporte dürften alsbald jedoch ebenso durchgeführt worden sein – damals wie heute ein lukratives Geschäft!

Nach Ausbruch bzw. mit Fortdauer des Ersten Weltkrieges nahm das Rettungswesen bei den Feuerwehren stark an Bedeutung zu. Auch nach dem Ende des Ersten Weltkrieges verblieb das zivile Rettungswesen in Österreich bei den Feuerwehren, ehe die Umbrüche des Jahres 1938 eine gravierende Änderung auch auf diesem Sektor bedingten: Die feuerwehrlichen Rettungsabteilungen mussten aufgelöst werden und der gesamte Sanitäts- und Rettungsdienst wurde schrittweise vom Deutschen Roten Kreuz übernommen.

Standen den Feuerwehren zu Beginn ihrer Sanitätsaktivitäten lediglich Räderbahren zur Verfügung, konnte die Qualität der Tätigkeit durch die Anschaffung von pferdegezogenen Rettungswägen deutlich verbessert werden. Der erste Wagen traf am 17. Juli 1897 in Bruck ein, das "Rayon" der Rettungsabteilung erstreckte sich auf Bruck, Pernegg, St.Katharein, Kapfenberg, Diemlach, Deuchendorf und Thörl. Das erste motorisierte Rettungsfahrzeug, ein Mercedes-Benz, konnte am 16. September 1923 in Dienst gestellt werden, der zweite Wagen, ein Steyr Typ VII, folgte im Jahr 1929. Dieser Steyr ist auch auf der gegenständlichen Fotografie zu sehen, es zeigt die Rettungsmänner (v.l.) Anton "Gummihund" Egger, Johann Wimmer, Alfred Kügler und den damals 22-jährigen Fahrer Franz Maurer. Beim Gebäude im Hintergrund handelt es sich um die Realschule am hohen Markt, deren linker Turm zur damaligen Zeit noch einen Eingang samt Vordach aufwies.

Aufgenommen wurde dieses Foto am 13. Februar 1934, einen Tag, nachdem die sogenannten "Februarkämpfe" in Wien, Linz und weiteren Industrieorten Österreichs losbrachen – so auch in Bruck. Es handelte sich um einen bewaffneten Konflikt zwischen der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei bzw. des Republikanischen Schutzbundes und der Regierung von Kanzler Dollfuß mit seiner Exekutive (Bundesheer, Sicherheitswache, Gendarmerie) sowie der Heimwehr. Die Gefechte waren in Bruck an der Mur besonders heftig, Brennpunkte des Konflikts waren die Forstschule, die Gendarmerie-Kaserne und der Schlossberg. Einem Schreiben des späteren Bürgermeisters August Hahn aus dem Jahr 1964 zufolge mussten als direkte oder indirekte Folge der Ereignisse in Bruck an der Mur insgesamt 19 Personen ihr Leben lassen (darunter zwei Zivilisten), 15 davon direkt in der Stadt. Unter den zu Tode Gekommenen befand sich auch der Arbeiterführer Koloman Wallisch, der am 19. Februar 1934 in Leoben hingerichtet wurde.

Die Mitglieder der Rettungsabteilung der Brucker Feuerwehr waren in diesem Einsatz im Zuge der Kampfhandlungen mit teils lebensbedrohlichen Situationen konfrontiert. Da mit einem Großeinsatz zu rechnen war, wurde neben den beiden erwähnten Rettungsfahrzeugen auch ein Saurer-LKW für den Transport von Verletzten und Toten beigezogen. Im Bereich der Gendarmerie-Kaserne geriet der Steyr VII zu Beginn des Gefechtes unter Beschuss, einige Projektile trafen das Fahrzeug. Der nachfolgende Mercedes konnte nicht mehr bremsen und krachte in ein Hauseck. Auch rund um die Forstschule hielten die Gewehrsalven an, die Rettungsmänner konnten nur unter äußerster Gefahr bereits ihren Schussverletzungen erlegene Schutzbund-Mitglieder aus dem Vorgarten der Lehranstalt bergen. Am gefährlichsten waren jedoch die Fahrten mit dem LKW, da dieser vorerst nicht als Rettungswagen erkenntlich war. Und selbst das Anbringen einer gut sichtbaren Rot-Kreuz-Flagge konnte Schüsse auf das Fahrzeug nicht verhindern.

Dass die eingesetzten Brucker Rettungsmänner allesamt unversehrt blieben, grenzt an ein Wunder. In 24 Stunden absolvierten sie rund 25 Einsatzfahrten, an einen geordneten Dienst und ausreichend Schlaf war nicht zu denken. Es scheint aus heutiger Sicht unvorstellbar, dass Mitglieder einer freiwilligen Rettungsorganisation im Zuge von Kampfhandlungen selbst in Lebensgefahr geraten – und im Wissen dieser äußersten Bedrohung dennoch wieder und wieder in den Einsatz gehen. Die Ereignisse des Februar 1934 wurden in unzähligen Publikationen und im Sinne der Sichtweisen der damaligen Konfliktparteien äußerst kontroversiell diskutiert. Aufgrund der jüngeren Geschichte unserer Stadt stand und steht die Darstellung der Verdienste von Koloman Wallisch und der Sozialdemokratie naturgemäß im Vordergrund. Willens zu sein, für seine Überzeugung sein Leben zu geben, ist zweifelsohne Beweis für bedingungslose Hingabe und Opferbereitschaft. Nichts desto weniger wäre es an der Zeit, – erstmals – auch die mutige Leistung der Brucker Rettungsmänner im Februar 1934 zu würdigen und in den über Jahrzehnte gefestigten Kanon der Geschichtsschreibung unserer Stadt aufzunehmen.

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