Eine
(Vereins)Fahne ist ein Symbol für Kameradschaftsgeist und
die Zugehörigkeit der Mitglieder zu ihrer Organisation. Sie
wird bei einer "Ausrückung" stets aufrecht voran
getragen, überragt alle und weist der ihr folgenden
Körperschaft sozusagen den Weg. Entkoppelt man die Fahne von
ihrer latent vorhandenen, politisch bedingten negativen
Konnotation, so steht sie für Werte, von denen sich die
Feuerwehren zur Zeit ihrer Gründung ebenso wie auch heute
leiten ließen und lassen: der Kameradschaft, dem Respekt
gegenüber der Gemeinschaft und den Leistungen der Vorgänger,
der Zusammengehörigkeit und der Hilfsbereitschaft gegenüber
allen Mitgliedern unserer Gesellschaft.
Die Fahne der Feuerwehr Bruck an der Mur wurde erstmals im
Jahr 1871 erwähnt und zählt somit wohl zu den ältesten
Feuerwehrfahnen der Steiermark. Aus dem Stiftungsjahr hat
sich auch das zweigliedrige weiß-grüne Fahnenband erhalten,
das in goldgestickten Lettern den Schriftzug "Gott zur
Ehr’, dem Nächsten zur Wehr / 18 Brucker freiw. Feuerwehr 71"
trägt. Das sogenannte "Fahnenblatt" bestand aus
unbestickter, altrosa Seide und maß ca. 150x200cm. Es war
mit Goldfransen eingefasst und an den Ecken mit Quasten
ebensolcher Farbe versehen.
Als "Fahnenmutter" wird Frau Sophie Racher genannt.
Hierin kommt nicht zuletzt auch der gesellschaftspolitische
Aspekt der Fahne zum Ausdruck. Sophie Racher war eine
angesehen Brucker Bürgerin und der Feuerwehr stets zugetan.
Es war durchaus üblich, dass betuchte Mitglieder der
Zivilgesellschaft zum Zeichen Ihrer Verbundenheit mit
Organisationen und Vereinigungen kostspielige Fahnen
stifteten. Auch heute noch entspricht es der Praxis, dass
bei der Anschaffung einer Fahne zumeist mehrere Damen aus
der Ortsgemeinschaft als Patinen fungieren. |
|
Die
gegenständliche Fotografie zeigt Johann Harger, Fleischhauer
in Bruck an der Mur. 1892 geboren, trat er 1911 der Brucker
Feuerwehr bei und wurde bereits im Jahr 1912 Mitglied der
Steigermannschaft und Fahnenjunker. Eine besondere Ehre für
einen noch jungen Mann, da die Funktion des Fahnenjunkers
eine angesehen und das Amt mit großer Verantwortung
verbunden war. Er trägt einen Messinghelm mit dem
Lorbeersturmband eines Kommandanten, ein Ehrenbeil, weiße
Handschuhe mit Schaft und eine Schärpe in den Turnerfarben
schwarz-rot-gold.
Entstanden ist die Fotografie im Atelier von Bernard Zemann,
der in Bruck an der Mur als Fotograf ab dem Jahr 1903
nachweisbar ist. Neben einer Filiale in Kapfenberg war er
hauptsächlich in Bruck tätig, unzählige Fotos von
Begebenheiten und Mitgliedern der Brucker Feuerwehr stammen
von ihm. Nach seinem Tod 1913 führt seine Witwe beide
Standorte bis zu ihrem Ableben im Jahr 1930 weiter.
Die Brucker Feuerwehrfahne wurde in den Wirren des
Kriegsendes 1945 erheblich in Mitleidenschaft gezogen, das
Fahnenblatt zum Großteil zerstört. Im Jahr 1950 richtete die
Feuerwehr an die Firma Fellinger & Hassinger in Wien eine
Anfrage, die die vollständige Reparatur der Fahne sowie von
drei Fahnenbändern zum Inhalt hatte. Das Ansinnen, die Fahne
wiederherzustellen, wurde seitens der Feuerwehr jedoch nicht
weiter verfolgt. Im Jahr 1956 dürfte sie die letzten beiden
Male "ausgerückt" sein: einmal im Zuge des
Landesfeuerwehrtages in Radkersburg, anderseits anlässlich
des 70. Geburtstages von Landesfeuerwehrkommandanten Hans
Malissa.
Dankenswerterweise haben sich neben der zweiteiligen
Fahnenstange sowie dem kunstvoll gearbeiteten Fahnenspitz
samt Transportbehälter 22 Fahnenbänder erhalten, die die
Ausrückungen zu verschiedenen Anlässen dokumentieren. Diese
betreffen Feierlichkeiten der eigenen und von benachbarten
Feuerwehren (Frohnleiten, Judenburg, Kapfenberg, Leoben,
Leoben-Donawitz, Mürzzuschlag, Trofaiach, etc.) ebenso wie
Gründungsjubiläen und Veranstaltungen von Brucker Vereinen
(Männergesangsverein, Rennfelder z’Bruck, Turnverein). Die
Erinnerungsbänder dokumentieren jedoch auch Reisen der Fahne
zu ferneren Zielen, etwa nach Sopron/Ödenburg (1874),
Neumarkt (1897), Bad Aussee (1912) und Innsbruck. Dort
beging man im Jahr 1927 das 70-jährige Bestandsjubiläum der
Freiwilligen Feuerwehr sowie das 55-jährige Bestehen des
Landesfeuerwehrverbandes Tirol – in "Anwesenheit" der
Brucker Feuerwehrfahne und somit im Beisein einer
Feuerwehrabordnung aus der Kornmesserstadt. |